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Januar 30, 2024
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Plant-for-the-Planet

12 Monate bis zum Inkrafttreten – Gesetz für entwaldungsfreie Lieferketten

Hoffnung für kleinbäuerliche Betriebe im globalen Süden dank neuer App von Plant-for-the-Planet

Die EU-Regulierung für entwaldungsfreie Lieferketten zeigt, dass ambitionierter Waldschutz möglich ist! Wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen, müssen wir alles daran setzen, dass dieses Gesetz zu einem Erfolg wird und die USA und China dem europäischen Beispiel folgen. Wir dürfen dabei aber nicht die Existenznöte der Menschen vor Ort vergessen!” – Felix Finkbeiner, Gründer von Plant-for-the-Planet

Viele Lebensmittelproduzenten in Europa stehen vor einem ziemlichen Dilemma: Sie müssen sich an die neuen EU-Regeln halten, die besagen, dass ihre Lieferketten entwaldungsfrei sein müssen. Diese ambitionierte Regelung ist zwar zu befürworten, jedoch stellt sie viele Produzent*innen vor ein Problem. Denn oft sind es kleinbäuerliche Betriebe im sogenannte globalen Süden, die von der Regelung noch gar nichts wissen und dessen Abnehmer bisher untätig bleiben.

“Unternehmen, die jetzt noch keine Lösung haben, gefährden die Existenz von Tausenden von Kleinbäuerinnen und  -bauern. Die Verantwortung darf von den europäischen Unternehmen nicht einfach auf die Produzent*innen abgewälzt werden.” – Felix Finkbeiner, Gründer von Plant-for-the-Planet

Wer zu spät handelt, kann am Ende nur noch pauschale Maßnahmen ergreifen und ganze Kooperativen und Farmen vom Handel ausschließen, obwohl es andere Möglichkeiten gäbe. Einige Unternehmen haben zwar schon eigene Überwachungssysteme entwickelt, teilen ihre Daten aber nicht mit den Produzent*innen, was laut Fairtrade zu noch mehr Ungleichheit im Markt führen wird.
 
Laut Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung wird 90% des Kakaos von Kleinbäuerinnen und -bauern angebaut. Die Flächen reichen häufig kaum, um den Lebensunterhalt der Bauernfamilien zu sichern. Doch ein Ausschluss vom Handel mit Europa wäre für viele dieser Familien, die bereits wegen der Folgen der Erderhitzung stark zu kämpfen haben, ein ökonomisches Desaster.

Wie die Tracer App von Plant-for-the-Planet Kleinbäuerinnen und -bauern Hilfe bietet

Plant-for-the-Planet setzt sich dafür ein, dass Waldschutz im globalen Süden immer mit den lokalen Communities zusammen betrieben wird. Über ihre Köpfe hinweg und ohne Anerkennung ihrer ökonomischen Interessen kann Waldschutz nicht nachhaltig funktionieren.

Deshalb hat sich das Team von Plant-for-the-Planet darüber Gedanken gemacht, wie man den landwirtschaftlichen Kleinbetrieben helfen könnte. Das Resultat ist eine neue App, die die Landwirt*innen kostenlos nutzen können.

Die Tracer App gibt Kleinbäuerinnen und -bauern sowie Kooperativen die Möglichkeit, ihre Flächen selbst zu dokumentieren und sich im Falle eines negativen Ergebnisses mit ihren Handelspartner*innen oder mit NGOs zu beraten. Mit der Tracer App gewinnen die kleinbäuerlichen Produzent*innen Zeit und Kontrolle über ihre eigenen Daten und ihr wirtschaftliches Schicksal. Kooperativen können potenzielle Risiken selbst ermitteln und Maßnahmen ergreifen, damit sie nicht vom Handel mit Europa ausgeschlossen werden. Die App kann außerdem als Informationstool dienen, da über sie die Nutzer*innen die Details der neuen EU-Regulierung erfahren.

Stimmen aus der Praxis: Wie Kleinbäuerinnen und -bauern die Veränderung erleben

Erste Tests mit der Tracer Software mit Tausenden realen Datensätzen von kleinbäuerlichen Betrieben zeigten, dass ca. 5-10% der Produzierenden die neue EU-Richtlinie nicht einhalten. Die meisten Kleinbäuerinnen und -bauern, die an Testreihen in Ghana und Mexiko teilgenommen haben, hatten vorab noch nie von der neuen Regulierung gehört. Sie wissen nicht, dass sie nicht mehr abholzen dürfen, wenn sie weiterhin in die EU exportieren möchten. Es besteht also dringender Handlungsbedarf.

Foto: Yussif Mohammed

“Mein Name ist Abena, ich bin eine Bäuerin aus Dompoase, Ghana. Meine Farm ist in Bodede. Ich wusste nichts über das neue Gesetz zum Kakaoanbau, bis ich von Plant-for-the-Planet angesprochen wurde. Ich bin froh, dass meine Farm die neuen Richtlinien erfüllt und ich meinen Kakao weiterhin für den Export in die EU verkaufen kann.” 

– Abena Antiwaa, Kakaobäuerin in Ghana

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Foto: Yussif Mohammed

“Mein Name ist Ama, Ich bin eine alleinerziehende Mutter von drei Kindern. Ich bin froh, dass ich meinen Kakao auch weiterhin verkaufen und am Handel mit Europa teilhaben kann. Das sichert mein Einkommen und ich kann meine Kinder versorgen.” 

– Ama Dapaah, Kakaobäuerin in Ghana

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Foto: Yussif Mohammed

“Mein Eindruck von der App und den Auswirkungen der neuen Vorschriften sind:

  1. Es wird dazu beitragen, die Disziplin zu erhöhen, wenn es um die Erhaltung von Waldgebieten geht.
  2. Es wird auch dazu beitragen, landwirtschaftliche Aktivitäten zu stoppen oder zu regulieren, die einen großen Beitrag zur Zerstörung des Klimas leisten, z. B. der Verlust von Bäumen und anderer Vegetation.”

– Yussif Mohammed, Referent für agrarwissenschaftliche
Beratung, Ghana

So funktioniert die Tracer App

In der Tracer-App geben Nutzer*innen zuerst die geografischen Daten (Polygon) ihrer Farm ein. Diese werden dann mit einer Datenbank abgeglichen, um mögliche Eingabefehler zu erkennen. Diese Datenbank enthält detaillierte Informationen über Anbauregionen von sieben betroffenen Agrarprodukten. Anschließend werden aktuelle Satellitenbilder der ESA mit älteren Aufnahmen vor 2020 verglichen, um festzustellen, ob nach 2020 keine Abholzung stattgefunden hat und somit die Produktion auf der Fläche den EU-Richtlinien entspricht. Darüber hinaus wird überprüft, ob die Farm innerhalb eines der weltweit 95.000 Naturschutzgebiete liegt. In der App wird dann auf einem Satellitenbild angezeigt, welche Flächen nicht den EU-Vorschriften entsprechen (siehe Grafik oben). Die Daten sind unter dem Link permanent abrufbar und können so den Handelspartner*innen zur Verfügung gestellt werden.

Die App kann für alle sieben Produkte (Rindfleisch, Kakao, Kaffee, Palmöl, Gummi, Soja und Holz), die unter die neue Regulierung fallen, verwendet werden, richtet sich aber vor allem an die kleineren Produzierenden von Kakao und Kaffee.

Tracer ist das jüngste Tool von Plant-for-the-Planet zu Waldschutz und -renaturierung. Erst 2023 wurde die FireAlert App vorgestellt, mit der mittlerweile eine Fläche größer als Brasilien überwacht wird.

EU-Regulierung für entwaldungsfreie Lieferketten

In den drei Jahrzehnten seit 1990 wurden laut der Europäischen Union weltweit 420 Millionen Hektar Wald vernichtet – eine Fläche größer als die EU selbst. Der Verlust der Wälder hat verheerenden Einfluss auf die Klimakrise und die Artenvielfalt auf der Erde.

Die EU-Regulierung für entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR) ist die bisher ambitionierteste Handelsregulierung für den internationalen Waldschutz. Sie ist ein essenzieller Baustein im Maßnahmenpaket, das es braucht, um bis 2030 die Abholzung von Wäldern komplett einzustellen. Ein absolut notwendiger Schritt, um unsere Klimaziele noch zu erreichen.

Die EU erkennt in der Gesetzgebung an, dass rund 10% der weltweiten Waldrodungen zwischen 1990 und 2008 mit dem Konsum von sieben Agrarprodukten in den Unionsländern zusammenhängt: Rindfleisch, Soja, Palmöl, Kaffee, Kakao, Kautschuk und Holz.

Das EUDR nimmt die Importeure in Europa in die Pflicht. Ab dem 30.12.2024 müssen sie den Nachweis erbringen, dass für die Herstellung ihrer Produkte keine Anbauflächen verwendet werden, die nach 2020 gerodet wurden oder Flächen sind, die in Naturschutzgebieten liegen. Bei Verstößen drohen Einfuhrverbote in die EU und empfindliche Strafen.