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Februar 20, 2012
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Was kostet die Natur?

ImageDer wahre Wert des Blaukehlchens beträgt 154 Euro. Das ist zumindest der Betrag, den der Systemtheoretiker Frederic Vester vor 30 Jahren ermittelte. Vom Material her bringt der kleine Vogel zwar nur 1,5 Cent – für Skelett, Blut, Fleisch und Federn. Doch Vester berücksichtigte all seine Leistungen; etwa dass er Samen verteilt und Schädlinge aufpickt, und so kam er auf das Zehntausendfache. „Ohrenschmaus und Augenweide”, die das Blaukehlchen bereitet, waren Vester so viel wert wie eine Valium-Tablette: fünf Cent am Tag. Für diesen Vergleich wurde er berühmt.

 

 

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Blaukehlchen Diazepam (Valium)

Wer wie Vester einen Preis für Natur festlegt, zeigt damit, welche Kosten Umweltverschmutzung und Ressourcenverbrauch tatsächlich verursachen. Es sind meist Kosten, für die niemand aufkommt, sogenannte externe Kosten. Ein Beispiel: In vielen Regionen der Erde ist Wasser knapp. Trotzdem bauen Unternehmen dort Pflanzen an, die reichlich Wasser brauchen, wie etwa Baumwolle. Sie zahlen einen vergleichsweise niedrigen Wasserpreis, der die negativen Auswirkungen von vertrockneten Seen und Flüssen auf die Umwelt nicht berücksichtigt. Andernfalls wäre der Preis viel höher – und die Firmen würden ihre Baumwollplantagen woanders anpflanzen.

In einigen Bereichen zahlen die Unternehmen bereits für die Umweltschäden, die sie verursachen. Der Handel mit Emissionsrechten beispielsweise ist ein Versuch, Firmen für externe Kosten zur Kasse zu bitten. Doch in den meisten Fällen nutzen sie die Umwelt gratis. Zuletzt stellte der Sportartikelhersteller Puma im Frühjahr 2011 öffentlichkeitswirksam eine „ökologische Gewinn- und Verlustrechnung” vor. Würde das Unternehmen alle Umweltkosten über die gesamte Lieferkette hinweg berücksichtigen, müsste es demnach 0,81 Euro pro Kubikmeter Wasser zahlen und 66 Euro für jede ausgestoßene Tonne CO2. Kommen noch Luftverschmutzung, Abfall und die Nutzung von Flächen – für Baumwolle und Leder liefernde Rinderherden – dazu, stehen 145 Millionen Euro im Jahr 2010 auf der Minusseite. Die meisten Kosten verursachen die Zulieferer, nur acht Millionen entstehen direkt durch Puma.

Hier einige Bilder.

Ein anderes Beispiel ist der Report von Nicholas Stern, der 2006 die Folgen des Klimawandels ausrechnete: Bis zu 20 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts würde es kosten, wenn die weltweiten CO2-Emissionen nicht gesenkt würden und steigende Temperatur zu Dürre, Epidemien und Völkerfluchten führen. Da sei es doch billiger, die Emission sofort zu reduzieren und dafür nur ein Prozent des globalen BIP zu zahlen, umgerechnet 275 Milliarden Euro pro Jahr, war Sterns Fazit. „Dabei ist völlig egal, ob er sich eventuell um ein paar Millionen mehr oder weniger verrechnet hat”, sagt Loew. Die Aussage war klar: Lieber jetzt handeln als warten.

Quelle: Süddeutsche Zeitung vom 14.02.2012.
Bildquelle: de.wikipedia.org

 


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