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Juni 24, 2025
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Tamara Cibulkova

Schritt für Schritt Richtung Klimagerechtigkeit – mit Jule auf der SB62 in Bonn

Während sich Politiker*innen, Vertreter*innen der Zivilgesellschaft und Verhandler*innen in Bonn zur UN-Klimakonferenz SB62 (16.–26. Juni 2025) treffen, geraten diese Zwischenverhandlungen oft in den Schatten großer Gipfeltreffen. Doch genau hier wird das Fundament für die großen Entscheidungen gelegt.

Die „SBs“ – kurz für „Subsidiary Bodies“ – sind die Zwischenverhandlungen der UN-Klimakonferenzen, die jedes Jahr in Bonn stattfinden, zwischen den großen COP-Konferenzen. Hier wird die Vorarbeit geleistet: Expert*innen bringen technisches Know-how ein, Delegierte verhandeln konkrete Inhalte, und die Agenda für die nächste COP wird vorbereitet. Diese Klimaverhandlungen sind extrem wichtig – und ein zentraler Ort für zivilgesellschaftliche Einflussnahme. Denn große Klimabeschlüsse entstehen nicht über Nacht auf der COP-Bühne. Sie sind das Ergebnis von viel stiller, hartnäckiger Arbeit im Hintergrund.

Das Pariser Klimaabkommen zum Beispiel wurde lange vor seiner feierlichen Unterzeichnung in Paris vorbereitet – in zahlreichen Sitzungen in Bonn, Genf und an anderen Orten. Verhandlungen wie SB62 schaffen es zwar selten in die Nachrichten, aber genau hier beginnt echter Fortschritt: Ideen werden geprüft, Formulierungen verhandelt und der Weg zu künftigen Abkommen – etwa bei COP30 – Stück für Stück geebnet. Kurz gesagt: Die SB-Verhandlungen sind ein Grundpfeiler der internationalen Klimapolitik. Ohne sie würde der UN-Klimaprozess kaum funktionieren.

Unsere Advocacy- und Policy-Advisorin Jule Schnakenberg ist schon seit vielen Jahren Teil der Klimakonferenzen – ihre erste COP war die COP21 in Paris, wo das historische Paris-Abkommen beschlossen wurde. Für Klimagerechtigkeit setzt sie sich bereits seit ihrem elften Lebensjahr ein. Heute ist sie eine engagierte Klima-Juristin und starke Stimme in der Bewegung. Aktuell wirkt sie an einer wegweisenden Klimaklage vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) mit – mehr dazu hier. Parallel absolviert Jule ihren Master in International Human Rights Law an der University of Oxford und bringt ihr Wissen und ihre Leidenschaft sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene in den Kampf für Klimagerechtigkeit ein.

Gemeinsam mit Jule berichten wir direkt von der SB62 in Bonn – und haben ihr ein paar Fragen gestellt.


Was bedeutet „Advocacy“ für dich – und wie definierst du es persönlich?

Policy- und Advocacy-Arbeit bedeutet, dass man sich mit Entscheidungsträger*innen austauscht – zu Themen, die für die Menschen wichtig sind, die man vertritt. Für uns bei Plant-for-the-Planet heißt das: Wir setzen uns ein für den Schutz, die Erhaltung und die Renaturierung von Wäldern. Und für Gleichberechtigung – denn als Organisation, die Klimagerechtigkeit durch Empowerment stärkt, fordern wir mehr Jugendbeteiligung und Klimabildung – im Unterricht und darüber hinaus.

Warum ist es wichtig, sich heutzutage für Klimagerechtigkeit einzusetzen?

Weltweit erleben wir die Auswirkungen der Klimakrise auf ganz unterschiedliche Weise – durch Extremwetterereignisse, aber auch durch langsam einsetzende Klimaauswirkungen, sogenannte „Slow-Onset“-Phänomene wie Bodenerosion oder den Anstieg des Meeresspiegels. Das trifft viele Gemeinschaften hart. Und trotzdem sehen wir hier auf den Klimakonferenzen viel zu wenig konsequentes Handeln – gerade von jenen, die historisch gesehen am meisten zur Klimakrise beigetragen haben.
Aber wir brauchen nicht einfach irgendeine Maßnahme um jeden Preis – wir brauchen echte Klimagerechtigkeit. Das bedeutet: Verantwortung für historische Emissionen übernehmen, faire Lösungen schaffen, globale Gerechtigkeit ernst nehmen. Bisher ist das leider kaum Teil des offiziellen Prozesses. Doch viele zivilgesellschaftliche Organisationen – auch wir bei Plant-for-the-Planet – setzen sich dafür ein, dass Prinzipien der Klimagerechtigkeit endlich fester Bestandteil der globalen Klimapolitik werden.

Man könnte sagen, dass die Abläufe auf den Klimakonferenzen bisher nicht besonders gut darin waren, echten Klimaschutz und Klimagerechtigkeit für die am stärksten betroffenen Menschen durchzusetzen. Wie siehst du das?

Die Klimakonferenzen finden zweimal jährlich statt: Einmal im Juni in Bonn, das andere Mal wird der Termin von unterschiedlichen Regionen ausgerichtet. Es stimmt, dass dieser Prozess bisher nicht wirklich die dringend benötigte Unterstützung für die am stärksten gefährdeten Menschen und für echten Klimaschutz und Klimagerechtigkeit gebracht hat. Oft ist es langsam und frustrierend, aber eine engagierte und starke Zivilgesellschaft sowie Vertreter*innen indigener Völker und lokaler Gemeinschaften kämpfen jedes Jahr für ambitioniertere Klimamaßnahmen.

Du warst in den letzten zehn Jahren bei vielen Klimakonferenzen dabei. Angesichts des langsamen Fortschritts: Was motiviert dich, weiterzumachen?

Für mich sind es die Menschen aus der Zivilgesellschaft und die Indigenen Gemeinschaften, die gemeinsam mit den Klimaverhandler*innen für bessere Ergebnisse kämpfen. Das ist es, was mich immer wieder zurückbringt – auch wenn es sich manchmal so anfühlt, als würden wir nur in Minischritten vorankommen und dann drei Schritte zurückgehen. Aber wir müssen weitermachen und gemeinsam für Klimagerechtigkeit arbeiten. Und leider sind genau diese Konferenzen einer der wenigen Orte, an denen das möglich ist.

Gibt es noch etwas, das du gerne teilen möchtest? Etwas, von dem du dir wünschst, dass mehr Menschen darüber Bescheid wissen – über Advocacy oder die Klimabewegung?

Die kleinen Veränderungen, die du im Alltag umsetzt, sind unglaublich wichtig – aber genauso brauchen wir große, systemische und strukturelle Veränderungen. Dazu gehört auch, wie Kapitalismus, Kolonialismus und Rassismus miteinander verflochten sind und wie wir im Rahmen der internationalen Klimapolitik zusammenarbeiten. Es geht nicht um entweder–oder: Wir brauchen beides – die kleinen Schritte und die großen, grundlegenden Veränderungen. Und zwar gleichzeitig.


Von stillen Verhandlungsräumen in Bonn bis hin zu lautem Handeln auf der Weltbühne: Der Weg zu Klimagerechtigkeit ist lang – aber er wird gebaut. Schritt für Schritt. Von Menschen wie Jule und unzähligen anderen, die nicht aufgeben. Dieses beharrliche, unermüdliche Engagement hält die Bewegung am Leben. Und wenn uns SB62 eines zeigt, dann das: Auch hinter verschlossenen Türen ist Veränderung möglich – wenn wir da sind, unsere Stimme erheben und gemeinsam für eine gerechtere Zukunft einstehen.