
Ein Blick auf die Verbindung zwischen queerer Community und Klimagerechtigkeitsbewegung
Wenn man heute auf Demos unterwegs ist – sei es für soziale Gerechtigkeit oder den Umweltschutz – sieht man oft auch viele queere Menschen. Und das ist kein Zufall: Studien aus den USA zeigen, dass LGBTQ+ Menschen großen Wert auf Umwelt- und Klimapolitik legen. Auch in meinem eigenen Umfeld sind die leidenschaftlichsten Aktivist*innen, die ich kenne, stolze Mitglieder der queeren Community.
Zum Pride Month habe ich mich gefragt: Wie sieht es eigentlich bei uns im Büro aus? Was hat meine Kolleg*innen zu Themen wie Renaturierung und Jugendbeteiligung gebracht? Und welche Rolle spielt ihre queere Identität bei ihrer Arbeit für Plant-for-the-Planet? Als neue Mitarbeiterin war ich auch neugierig: Gibt es hier überhaupt eine queere Community – und wie sichtbar ist sie?
Die meisten von uns kommen nicht wegen einer romantischen Liebe zur Natur zur Klimagerechtigkeit – sondern wegen sozialer Ungerechtigkeit. Dieser Weg beginnt oft ganz persönlich. Eine Kollegin erzählte mir, wie ihr Aktivismus in einer Obdachlosenunterkunft begann: einfach zuhören, Geschichten erfahren, Ungleichheit in ihrer rohesten Form erleben. „Wenn du es dort einmal gesehen hast“, sagte sie, „dann siehst du Ungleichheit überall.“
Ihr wurde klar: Klimagerechtigkeit ist nur eine weitere Facette desselben ungerechten Systems. Wie bei vielen anderen bei Plant-for-the-Planet begann ihr Engagement nicht bei Bäumen – sondern bei Menschen.
Diese breitere Perspektive auf Klimaschutz ist eng verbunden mit dem Konzept der Intersektionalität. Unsere Arbeit in der Renaturierung geht über das Pflanzen von Bäumen hinaus: Wir empowern junge Menschen, fördern Bildung und schaffen wirtschaftliche Chancen für Frauen in Ghana – durch Renaturierung. Für einige von uns, besonders queere Mitarbeitende, fühlt sich dieser Ansatz nicht nur praktisch, sondern auch sehr persönlich an.
„Klimaschutz kann man nicht vom Rest der Gerechtigkeitsarbeit trennen“, sagte eine andere Kolleg*in. „Wenn wir Frauen stärken oder queere Jugendliche unterstützen, dann ist das auch Klimaschutz – denn es geht letztlich darum, wer überlebt.“
Überleben ist ein zentrales Stichwort. Eine weitere Kolleg*in sprach von einer Art existenziellem Erschöpfungsgefühl – auf Deutsch: Weltschmerz. Dieses erdrückende Gefühl, wenn man all die Ungerechtigkeiten sieht: die Reichen werden reicher, die Natur wird zerstört, Menschen werden vergessen. Für sie war dieser Schmerz kein Grund aufzugeben – sondern der Auslöser, um ins Handeln zu kommen.
Was sich durch alle Gespräche zog: Queer zu sein bedeutet oft, ein feines Gespür für Machtstrukturen und Ausschlüsse zu entwickeln. Es heißt, schon früh zu lernen, wie man mit Krisen umgeht. Oder wie es eine Kolleg*in ausdrückte: „Wir sagen in der queeren Community immer: Wir sind an Krisen gewöhnt.“
Genau diese Resilienz braucht die Klimabewegung. Denn die Klimakrise ist nicht nur ein Umweltproblem, sondern ein systemisches. Sie trifft vor allem die, die ohnehin am Rand stehen: LGBTQ+ Personen, Indigene Gemeinschaften, Menschen im Globalen Süden. Die, die am wenigsten zur Krise beigetragen haben, leiden am stärksten.
Diese Schnittstelle ist also kein Zufall – sie ist eine logische Folge gemeinsamer Erfahrungen. Eine Person erzählte, wie ihre queere Identität ihr Einfühlungsvermögen für Klimaprojekte vertieft hat: „Ich weiß, wie es ist, diskriminiert zu werden. Deshalb frage ich mich immer: Wie fühlen sich die Menschen, die dort leben?“
Diese einfache, aber oft vergessene Frage zeigt: Klimagerechtigkeit ist im Kern Menschenrechtsarbeit.
Auch das Thema Sichtbarkeit spielte eine große Rolle. „Bei Plant-for-the-Planet habe ich das Gefühl, dass ich keinen Teil von mir verstecken muss“, sagte eine Mitarbeiterin. „Das ist selten.“ In früheren Jobs fühlten sie sich oft ausgebrannt und unauthentisch. Aber hier – in einer Bewegung, die für Gerechtigkeit kämpft – habe sie endlich das Gefühl, dass Persönlichkeit und Arbeit im Einklang stehen.
Sichtbarkeit ist dabei nicht nur symbolisch – sie ist strategisch. Eine Person erinnerte sich an ihre allererste Demo, eine Pride Parade. Die Energie, das gemeinsame Rufen, das Lachen – all das fühlte sich bei späteren Klimaprotesten sehr ähnlich an.
„Wir kämpfen hier alle ums Überleben“, sagte sie. Dieses Gefühl lässt sich kaum beschreiben, wenn man es nicht selbst erlebt hat: das Wissen, Teil von etwas Größerem zu sein. Pride und Protest lehren uns: Freude ist Widerstand. Ob mit Glitzer auf der Klimademo oder mit Tanz nach einem harten Kampagnensieg – Feiern gehört zum Kampf.
Doch wir dürfen nicht vergessen, wie schnell Bewegungen scheitern, wenn sie die Menschen übersehen, die sie aufgebaut haben. „Die marginalisiertesten Stimmen – trans Frauen of Color, indigene Anführerinnen – haben diesen Kampf schon immer geführt“, erinnerte mich eine Person. „Aber wirklich intersektional ist die Bewegung erst, wenn sie auch an den Entscheidungstischen sitzen.“ Eine wichtige Kritik an symbolischer Solidarität. Ein Regenbogen-Logo im Juni bedeutet wenig, wenn man die restlichen elf Monate keine queeren Aktivistinnen im Globalen Süden unterstützt.
Repräsentation ist nichts, was man dosieren sollte. „Es gibt kein ‚zu viel‘ an Sichtbarkeit“, sagte eine Person. „Wir kämpfen weiter, bis die Welt uns alle widerspiegelt.“
Das betrifft Sprache, Regeln, Führung. Oder wie es eine andere Person sagte: „Solange ich keine trans Menschen als Verhandlungsführer*innen bei der COP sehe – und nicht nur Regenbogen-Logos – schmücken wir nur ein kaputtes System.“
Und genau da liegt die Gefahr: Wenn wir uns gegenseitig nicht ernst nehmen oder Vielfalt nur als Deko benutzen, spalten wir die Bewegung. Der Fortschritt wird langsamer. Die Arbeit schwerer. Denn die Klimakrise ist keine einzelne Krise – sie ist ein Netz aus Ungerechtigkeiten. Und wer an einem Faden zieht, zieht an allen. Queere Menschen wissen das. Indigene Landverteidigerinnen wissen das. Genauso wie behinderte Jugendliche, Aktivistinnen auf dem Land oder migrantische Arbeiter*innen. Die Botschaft ist klar: Entweder wir bewegen uns gemeinsam – oder gar nicht.
Nach all diesen Gesprächen habe ich viel über Hoffnung nachgedacht. Eine Person sagte mir: Die queere Community zu finden, war wie ein fehlendes Puzzlestück im Leben. Dieses Gefühl, endlich ganz da zu sein und gesehen zu werden – das wollen sie auch in der Klimabewegung ermöglichen.
Für jemand anderen sind es die Freund*innen mit Glitzer und frechen Sprüchen auf jeder Demo, die Kraft geben. „Wir kämpfen nicht nur gegen den Kollaps“, sagte sie. „Wir kämpfen dafür, unser Überleben feiern zu dürfen.“
Am meisten berührt hat mich das Gespräch mit einer Jugendbotschafterin. Ihre Begeisterung darüber, dass Plant-for-the-Planet (also ich als Autorin) sich für das Zusammenspiel von Klimaschutz und queeren Rechten interessiert, war ansteckend – ich konnte gar nicht anders als lächeln während des Interviews.
Denn am Ende braucht eine klimaresiliente Welt mehr als CO₂-Ziele und neue Technik. Sie braucht Räume, in denen jeder gehört wird. Wo niemand sich verstecken muss. Wo Identität nicht nur akzeptiert, sondern gefeiert wird – als Teil des Kampfes.
Das ist die Vision von Klimagerechtigkeit, die viele queere Aktivistinnen heute schon leben.
Eine Demo, ein wiederbegrünter Hektar, ein Pride-March nach dem anderen.