Die Wiederherstellung von Wäldern ist eine herausfordernde Aufgabe, und die Wiederherstellung von Ökosystemen ist ist es einmal mehr. Es gibt viele natürliche Herausforderungen für jeden kostbaren gepflanzten Baum, sobald er einen Platz gefunden hat, an dem er Wurzeln schlagen kann. Um sicherzustellen, dass die Bäume sich gesund entwickeln, ergreift Plant-for-the-Planet verschiedene notwendige Maßnahmen. Ein Schlüsselbegriff ist dabei die Überlebensrate. Du hast noch nie davon gehört? Kein Problem
Die Überlebensrate ist für uns ein wichtiger Indikator. Mehr noch, wir können sie sogar positiv beeinflussen. Auf unserem eigenen Versuchsgelände in Yucatán testen wir ständig neue Methoden und überprüfen außerdem fortlaufend die von uns erarbeiteten wissenschaftlichen Leitlinien. Zudem arbeiten wir mit Partnern vor Ort zusammen – alles mit dem Ziel, unser Wissen zu vertiefen und neue Erkenntnisse zu gewinnen, damit unsere Wiederherstellungsbemühungen den gewünschten Erfolg bringen. Das klingt spannend und ist es auch. Tauchen wir also ein in die faszinierende Welt der Wiederherstellung von Ökosystemen. Samantha Dávalos, unsere Expertin für die Evaluierung von Restaurierungsprojekten, gibt uns Einblicke in ihre Tätigkeit.
Samantha, was sind Überlebensraten? Und warum sind sie wichtig?
Bei Aufforstungsprojekten geben die Überlebensraten an, wie viele gepflanzte Bäume in einem bestimmten Zeitraum überlebt haben. Unsere Wissenschaftler und Forscher untersuchen dazu die für das Wachstum und die Gesundheit der Bäume relevanten biologischen Faktoren an den betreffenden Standorten. Im Allgemeinen zeigen uns diese Werte auch an, wie gut sich bestimmte Arten in dem Gebiet, in dem sie gepflanzt wurden, entwickelt haben. Mit anderen Worten: Niedrige Überlebensraten sagen viel über den allgemeinen Zustand der Pflanzflächen und den allgemeinen Gesundheitszustand der Pflanzen aus. Diese Erkenntnisse sind wichtig, da sie unsere Entscheidungen über die Pflanzung der geeigneten Arten für die jeweiligen Gebiete direkt beeinflussen! Wir wollen ein Ökosystem wiederherstellen und nicht nur einfach Bäume pflanzen. Deshalb haben die Überlebensraten in diesem Zusammenhang eine hohe Aussagekraft.
Erzähle uns mehr über diese biologischen Faktoren.
Es gibt zahlreiche Gründe und natürliche Ursachen für die Art und Weise, wie sich Bäume etablieren oder vielleicht auch nicht mehr weiterwachsen. Die Natur ist lebendig und komplex! Degradierte Böden, Schädlinge, invasive Arten, Dürre oder starke Trockenperioden – all diese Faktoren verringern die Überlebenschancen der Bäume. Bei unserem Renaturierungsprojekt in Yucatán, Mexiko fällt die Pflanzzeit in die Regenzeit, die etwa von Juni bis Dezember dauert. Wir pflanzen die Bäume in dieser Saison, denn dann werden sie durch die tropischen Regenfälle optimal mit Nährstoffen versorgt, und sie haben die bestmöglichen Überlebenschancen.
“Je mehr wir über die biologischen Voraussetzungen wissen, um so gezielter können wir den Wald wiederherstellen und um so mehr Bäume werden überleben und sich weiter entwickeln.”
Du hast invasive Arten erwähnt. Kannst du erklären, was du damit meinst?
Invasive Arten sind in einem bestimmten Gebiet nicht heimische Arten, die in einem neuen Ökosystem leicht und schnell gedeihen. Das hört sich zunächst gut an, aber es besteht die Gefahr, dass sie sich ausbreiten und die Pflanzfläche aus dem Gleichgewicht bringen, wodurch die lokale Artenvielfalt beeinträchtigt wird. Eine wirkungsvolle Wiederherstellung von Ökosystemen bedeutet also, dass sich verschiedene einheimische Baumarten entwickeln können und gegenseitig unterstützen. Es gibt viele Möglichkeiten, die Entwicklung von Bäumen zu begünstigen. Auf unserem Versuchsgelände in Yucatán arbeiten wir ständig daran, die dafür maßgeblichen Faktoren zu messen und zu verstehen, wie sie die Überlebensraten beeinflussen.
Interessant! Ein Versuchsgelände? Was genau passiert dort?
Wissenschaftler der ETH Zürich und des Imperial College London führen im Rahmen des Projekts Research Forest PlanBe groß angelegte Feldversuche zur Wiederherstellung von Tropenwäldern durch (16 000 Bäume wurden dafür im Jahr 2020 gepflanzt), um den Prozess der Renaturierung besser zu verstehen.
Eine Hypothese besagt zum Beispiel, dass die Zugabe von gut erhaltenem Waldboden in ein Pflanzloch die Überlebensrate der Bäume erhöhen könnte, da damit die Vielfalt der Bodenmikroorganismen in degradierten Böden erhöht und somit das Wachstum der Bäume begünstigt würde.
Ein weiterer Versuch zielt darauf ab, zu messen, wie viele Bäume in einem Gebiet Stickstoff binden sollten – vor allem deshalb, weil diese Bäume den Boden auf natürliche Weise düngen können. Wie bereits erwähnt, ist die bedachte Auswahl der Baumarten und ihrer verschiedenen Varianten bei der Wiederherstellung eines Ökosystems von großer Bedeutung. In Yucatán beispielsweise pflanzen wir Arten, die für die Bodenarten und das Sukzessionsstadium des Wiederherstellungsgebiets gut geeignet sind, was bedeutet, dass sie mit größerer Wahrscheinlichkeit überleben werden (siehe “Pflanzung von über 20 einheimischen Arten“).
Darüber hinaus werden wir im September 2021 ein Experiment durchführen, das sich mit der Frage befasst, wie die Regenerationsrate der Wälder durch die Eigenschaften der Bäume, ihre Mischung und die “richtige” Auswahl der Baumarten beeinflusst wird. Mit anderen Worten: Es werden mehrere Baumartenmischungen gepflanzt, die die Vielfalt und den Artenreichtum der Ökosysteme unterstützen sollen.
Eine Sache muss ich hier noch hinzufügen. Wenn Bäume nicht gut gedeihen, bedeutet das nicht automatisch, dass unsere Wiederherstellungsmaßnahmen nicht erfolgreich waren. Es trägt vielmehr dazu bei, die natürlichen Gegebenheiten und Merkmale der Standorte besser zu verstehen. Genau aus diesem Grund ist unsere Forschung so unerlässlich. Wir gewinnen neue Erkenntnisse und wertvolles Wissen, das nicht nur für unser Renaturierungsprojekt in Yucatán von Nutzen ist. Jeder Fortschritt, den wir machen, jede Erkenntnis, die wir gewinnen, wird letztendlich zu einem größeren Erfolg all unserer Restaurierungsprojekte führen. Und genau darum geht es letztendlich. Je mehr wir über die biologischen Rahmenbedingungen wissen, desto besser können wir den Baumbestand wiederherstellen und desto mehr Bäume werden überleben und weiter gedeihen.
Gibt es weitere Möglichkeiten, um das Überleben der Bäume zu sichern?
Als Gutachterin für Wiederherstellungsprojekte bin ich für unsere Plant-for-the-Planet-Richtlinien zuständig. Sie zielen darauf ab, jedes einzelne Restaurierungsprojekt auszuwerten und Qualitätsstandards festzulegen.
Leitlinien sind unglaublich wichtig, denn wir wollen sicherstellen, dass alle Projekte auf der Plant-for-the-Planet-Plattform verlässlich und transparent sind. Neben sozialen und wirtschaftlichen Standards wollen wir herausfinden, wie die Projekte ihre Baumarten auswählen und ihre Flächen pflegen. Beispielsweise verlangen Aspekte wie die Überwachung und die Beschaffung von Bäumen bestimmte Indikatoren wie die Nutzung von lokalem Wissen bei der Auswahl und Anpflanzung. Bei einigen Projektzielen stehen biologische Merkmale wie schnelles Wachstum, hohe Überlebensrate und Widerstandsfähigkeit im Vordergrund. So werden die Projekte im Hinblick auf ihr jeweiliges Ziel überprüft und bewertet. Leitlinien und Vor-Ort-Prüfungen helfen uns, mehr über die Restaurierungsanforderungen herauszufinden und die einzelnen lokalen Pflanzungen besser zu beurteilen.
Samantha, das war spannend! Herzlichen Dank für deine Zeit.
Plant-for-the-Planet kümmert sich um die gepflanzten Bäume. Dank der Hilfe unserer Wissenschaftler*innen und Partnerprojekte lernen wir immer mehr darüber, wie wir Ökosysteme effizienter wiederherstellen können.
Für mehr Infos: Yucatàn Restoration.